„Marianne!“ „Jawoll Chef, hier bei der Arbeit!“
„Marianne, wie weit sind wir denn nun mit unserer Präsi-Kampa gekommen?“
„Nur noch der Spessart fehlt, ansonsten hamm wa alles so jut wie fertig! Problematische Randjebiete hamm wa schon alle abjearbeitet. Besonders der Osten und die ehemalige Zonenjrenze waan ja harte Nüsse. Übrijens ist der Spessart zwar im Nordwesten, aber er ist auch so ein Jrenzjebiet. Bei den Randjebieten hamm wa für den Landkreis Wunsiedel mit dem Schlagwort „Kögi-City" zwar echt viel Arbeit jehabt, aber ich denke, det wird ’n richtiger Wahlkampfhamma.“
„Ohne Zweifel, denn was der Popp bringt, ist immer gut...“
„Ja äh, Markus was wa top bringen, is’ jut!“
„Nein, Marianne, nicht top, sondern Popp.“
„Ach so, ich bin bisher immer davon ausjegangen, dass der Soundtrack unserer Kampagne etwas von Volksmusik haben sollte. Übrigens, gäb's da im Spessart nicht auch welche? Aber wenn du meinst, dann werden wir unsere Melodie mehr auf Pop ausrichten.“
„Nein, Marianne, nein!“ „Ja wat denn nu’?“ „Ich meine den Macher des Wunsiedel-Projektes, meinen Spezl, den Stadtrat Prof. Dr.Ing. Mathias Popp. Der schafft in Nürnberg. Wie ich das als Heimatminister auch mache.“
„Det is’ also der Mann, der sich Kögi-City ausjedacht hat. Det is’ schon ein mega-cooles Projekt der Infrastrukturverbesserung, wa?“ Marianne raschelt in den Papierstapeln auf ihrem Schreibtisch: “Gründung eines neuen Oberzentrums in Oberfranken mit 42 000 Einwohnern rund um den örtlichen Berg Kösseine. Beteiligung von zehn Kommunen. Zusammenlegung der kommunalen Verwaltungsstrukturen. Ein Oberbürgermeister statt zehn Rathauschefs. Bau des höchsten Ratssaals der Republik als Identifikationsobjekt auf dem Berg in der Mitte der zehn Orte. Und damit – jawoll - sogar "die Schaffung des größten Stadtparks der Republik". Weil der Berg mit seinem Wald plötzlich mitten in der City liegen würde. Einer Stadt in der Größe von Hof, Coburg oder Kulmbach. Namensgebung: KÖGI-City. Kö wie Kösseine, Gi wie Gipfel. Übrigens, viel Wald hamm wa auch im Spessart.“
„Marianne, das war jetzt fei echt schnell! Du bist zwar a Sauprreissin, aber Du passt scho’ als Leiterin meiner Präsidenten-Kampagne.“ „Danke Chef!“ „Ja gerne, weitermachen! Wer Ministerpräsident werden will, der muss sich schließlich beizeiten drum kümmern. Oh, Marianne, das war ein echt starkes Stück harter Arbeit, für diese zehn Rathauschefs andere Pöstchen zu schaffen. Aber man hat ja seine Kontakte.“
„Auch im Spessart?“ „Immer! Hauptsache, man spricht über mich. Auch im Spessart! Was, ist nicht wirklich wichtig.“ „Jawoll, Hauptsache die wählen Markus!“
Markus lacht röhrend auf und schlägt sich wiehernd auf die Schenkel: „Ja selbstverständlich! Was haben sich die Schreiberlinge von der Lokalpresse über KÖGI-City aufgeregt: Ein Faschingsscherz sei diese Idee. Aber wie hat der Popp geantwortet? Das sei ihm wurscht. Hahaha! Die Antwort könnt’ von mir sein. Ich liebe coole Sprüche.“
„Ja Markus, berühmt von Dir ist z. B: Las Vegas, das ist die Stadt der Glücksritter und Spieler – da würde sich mein Ministerpräsident zu Hause fühlen!“
„Gut gebrüllt, Marianne! Aber das gilt für Horsti jetzt erst recht: Zuerst spielte er noch „Maut für alle“ und jetzt mault er nur noch von Autobahnen rum. Übrigens Marianne, warum fordern wir für die Leute im Spessart nicht freie Fahrt auf den Autobahnen im Spessart?“
„Det hamm wa jleiäch!“ knurrt Marianne während sie hektisch auf ihren PC einhämmert. „Hier, da is wat: Z. B. Lohr, mitten im Spessart…die Einwohner nennen sich Mopper…Ach klar, auf ihren Nummernschildern steht ja auch MSP, also Mopper-Spessart.“
„Nix da, Marianne, wir sagen dazu immer Mespelbrunn.“
„Achso, Mespelbrunn? Ja Markus, Du hast recht, grad’ hab’ ichs in Google Maps gefunden: Im Spessart wird das Wasserschloss Mespelbrunn mit einer extra Autobahn touristisch erschlossen. Und das sogar doppelseitig: Vom Nordosten her eine Anbindung an Frankfurt und im Südwesten nach Würzburg und Nürnberg. Soll A3 heißen. Chef, das ist ja ein fantastisches Projekt der Infrastrukturverbesserung!“
„Marianne, im Geiste lese ich schon unseren Wahlkrampf-Header: Markus sichert die Freiheit im Spessart: Freie Fahrt nach Mespelbrunn!“
„Voll megageiles Schlagwort! Wirklich schade, dass es die A3 schon gibt. Wir müssen uns andere Parolen für die Presi-Kampa im Spessart ausdenken. Etwas Emotionales, Gefühlvolles wäre gut, Du willst doch schließlich auch von den Damen gewählt werden.
Hier, bei Wikipedia lese ich: Der geschichtliche und reale Hintergrund des Grimmschen Märchens von Schneewittchen wird ebenfalls im Spessart angesiedelt. Markus, Folklore ist immer ein Bringer!“
„Leider auch nix, Marianne. Die Karin hat festgelegt, dass ich das nächste Mal zum Karneval in Veitshöchheim als Schneewittchen gehe. Dann werde ich noch schöner als Ilse auftreten und lass mir von ihr den berühmten Apfel zu essen geben. Wenn ich dann tatsächlich ohnmächtig absacke, ist die Ilse kompromittiert und ich hab’ die vollen Sympathiepunkte.“
„Ach Markus, ich weiß ja nicht: „Absacken im Spessart“. Klingt irgendwie nach „no future!“
„Ja mei, wo Du recht hast, hast Du recht. Fällt Dir nichts richtig Fetziges ein, so etwa im Stil wie von Captain Future persönlich?“
„Fetzig, Future? Ja, für unsere dynamische, vernetzte Smartphone-Jugend muss es etwas neudeutsches sein.“
„Ja und das wäre? Ich lese hier auf Deinem Bildschirm aus Wikipedia: Der Dreiklang Wald, Armut und Spessarträuber ist im Bewusstsein der Menschen haften geblieben. Heute denke ich an Glasbehälter, den Nantenbacher Bogen und Hydraulikventile. Wie kann ich aus Spessarträubern, Glasflaschen und der Nantenbacher Kurve unseren Wahlkampfschlager destillieren? Damit wir bald nicht mehr so arm dran sein werden, öffne jetzt bitte mal das Ventil deiner Fantasie – wenn's sein muss auch hydraulisch – schließlich bezahle ich Dich als Managerin meiner Präsi-Kampa dafür.“
„Markus, ich hab’s: Der Name Spessart selbst ist unser Hit: Erst Spess und dann Art.“ „Aber du hattest doch gerade auf Deinem Bildschirm, dass Spessart eigentlich Spechtswald bedeutet. Markus rettet den Spechtswald, oder was? Die Leut’ werden doch denken, ich hätt’ einen Vogel!“ „Gott bewahre, nein! Denk doch mal richtig auf Neudeutsch: Die zweite Silbe ist Art und was heißt das auf Englisch? Geeenau, Kunst heißt das!“
„Und die erste Silbe? Möchtest Du Spess wie Späße verstehen? Also die Kunst Witze zu machen?“
„Chef, das traut man Dir schon zu. Schließlich sollst Du ja selbst gesagt haben: Meine Maibockreden schreibe ich selbst. Da helfen mir meine Erfahrungen aus dem Kabinett. Kabinett und Kabarett sind sich wahnsinnig ähnlich. Es gibt nur einen Unterschied. Im Kabarett lachen alle über einen – im Kabinett lacht eigentlich nur einer über die anderen.“
„Braves Mädchen, Du kennst Dich ja gut aus! Aber wo bleibt jetzt der Kracher, das Kultwort, die Sprachbombe?“
„Denk doch auch für die erste Silbe wieder einfach nur Neudeutsch: Was auf Englisch „Spess“ ausgesprochen wird, bedeutet „Space“ wie Raum und Weltraum.“
„Sehr witzig. Solln wir jetzt vielleicht für den Spessart einen Weltraumbahnhof fordern? So wie Dr.Blofeld im James-Bond-Film den Deckel eines vorgetäuschten Sees in den Bergen aufklappt und darunter die allerfeinste Raketenabschussrampe zum Vorschein kommt? Mädchen, Du sollst hier keine Science-Fiction Romane über den Spessart schreiben! Denk dran, dass wir hier knallhart unsere politische Strategie aufbauen müssen!“
Eigentlich erwartet Markus, dass Marianne nach diesem Anpfiff einen roten Kopf bekommt – so rot wie Schneewittchen’s Lippen im Märchen. Schwarze Haare hat sie auch, eine rechte Lockenpracht. Eigentlich müsste er sie jetzt tröstend in den Arm nehmen und ihr gut zusprechen. Und so weiter, wie das mit Politikern bei der Arbeit eben immer so weiter geht. Aber nichts davon. Statt einer Antwort haut Marianne wie besessen auf die Tasten und murmelt vor sich hin: „Aufklappbarer See? Tümpel mit Rampe?“
Plötzlich kommt’s: „Top Markus. Du bist echt top! Viel besser als Dr.Blo!“ wiederholt sie immer wieder. Sie schaut zu ihm auf und strahlt ihn mit ihren glänzenden blauen Augen wie ein Feuerwerk an: „Jetzt haben wir den absoluten Kracher – die Solhöhe und das Pumpspeicherwerk zwischen Lohr und Partenstein! Det isset!“ Stürmisch fällt sie ihm um den Hals. Einen richtigen Knutschfleck trägt er davon, steht da und weiß nicht, wie ihm geschieht: „Soll unsere Präsi-Kampa jetzt voll im Pumpspeicherwerk baden gehen, oder was?“
„Nein Chef, natürlich nicht. Im Gegenteil!“, beruhigt sich Marianne wieder. Und fährt atemlos fort: „Die Solhöhe wird der neue Kristallisationspunkt der größten Infrastrukturverbesserungsmaßnahme, die der Spessart je gesehen hat. Space und Art – wir bauen den Spessart so kunstvoll auf und aus, dass selbst die Besiedlung des Jupiters daneben wie sozialer Wohnungsbau wirkt. Dein Projekt KÖGI-City kommt jetzt auch im Spessart. Unser Special ist Space-City. Im Spessart. Forschung, Produktion, Verkehrswege – alles vom feinsten und mittendrin der Höhepunkt – wie in KÖGI-City, nur viel spaciger, viel avantgardistischer: Der neue Dienstsitz des Landrates auf der Solhöhe. Direkt über dem Pumpspeicherwerk. Fassaden aus funkelndem Edelstahl, dazwischen gleißende Sonnenkollektoren und aus allem ragt die Spirale eines gigantisches Vertikalwindrades empor, also voll die krasse Umweltverträglichkeit. Schimmernde Zylinder schließen an gerundete Baukörper an mit dem optischen Schwerpunkt einer zweigeschossigen Eingangshalle, die von einer ausgedehnten und rostfreien Freitreppe erschlossen wird. Alles schwebt auf elegant geschweiften Stelzen über den Wassern der Solhöhe und wirft in der Morgenröte der aufgehenden Sonne ein nahezu überirdisches Spiegelbild in den See des Pumpspeicherwerks.“
Markus sitzt wie vom Donner gerührt auf der Kante von Mariannes Schreibtisch und lächelt. Lächelt sein unnachahmliches Nürnberger Lächeln, bei dem man nie weiß, ob er so tut, als ob er alles oder nichts weiß oder doch nicht. Aber er fasst sich schnell wieder: “Was soll das denn nun wieder? Meinst Du etwa so eine Mischung zwischen dem Atomium in Brüssel und der Weltraumstation ISS im Orbit? So was richtig voll spaciges?“
„Voll erfasst Boss, Du bist einfach der größte!“ jubelt Marianne. “Hier, ich lese es bei Wikipedia: Urkundlich belegt sind die Spessarträuber, denen Wilhelm Hauff 1827 mit der Erzählung Das Wirtshaus im Spessart und Kurt Hoffmann 1958 mit dem gleichnamigen Film ein Denkmal setzten. Und wir bringen „Space-City“, die Krönung Deiner Präsi-Kampa: Markus’ Special-Space-City - ein Denkmal für Markus!“
„Marianne, schön, schön, aber ist Markus’ Special-Space-City im Spessart nicht etwas zungenbrecherisch?“ „Jawoll is’ es det! Genau das ist ja der perfide Trick: Du wirst Horst immer eine Nasenlänge voraus sein, weil er das nie je richtig wird aussprechen können!"
„Aber wenn Horst eine Nasenlänge vor mir auf der Solhöhe ankommt? Der ist ja nicht umsonst so ein langer Kerl mit langen Beinen!"
„Auch schon bedacht, Markus. Schau mal, was ich hier vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefunden habe: Projektvorschläge Schiene, Stand 5.5.2014: Ortsumfahrung Lohr im Abschnitt Nantenbach – Partenstein, Verlängerung der Nantenbacher Kurve. Weißt du was das heißt? Direkt unter Markus Special Space-City im Spessart wird der ICE durchfahren. Wenn für Schloss Mespelbrunn eine Erschließung durch zwei Autobahnen recht ist, dann ist für Markus Special Space-City im Spessart der ICE als strukturelle Anbindung nur gerade billig. Die signalartige Wirkung des weithin sichtbaren, hoch aufragenden und visionären Baus mit seinen futuristischen Details wird das signifikante Identifikationsmerkmal der mit diesem Initialisierungsschub explosionsartig prosperierenden Region Spessart werden!“
„Oha, da ist aber noch viel zu tun. Bescheidene Frage: Wie soll ich denn unten aus dem Tunnel des ICE nach oben in das glorreiche Landratsamt kommen? Für die Sprengung eines gigantischen Fahrstuhlschachts werden wir zuerst mal etliche Explosionen brauchen. Wer kalkuliert mir die Baukosten verlässlich? Sonst könnte es weitere Explosionen geben. Überhaupt, wenn das mal keine zweite "Oper von Hamburg" oder "Bischofswohnung in Limburg" wird. Mich wird man dann den „Tebartz-van-Elst des Spessarts“ nennen.“
„No Problem Markus, wenn man die richtigen Leute kennt und die falschen vorher gezielt desinformiert! Dein Spezl, der Professor Popp, der wird das Projekt schon richtig aufpoppen!“
„Ja Marianne, dass ist erst mal ein guter Plan. Der Matthias ist schließlich ein wackerer Ingenieur. Wenn der Plan nicht gut ausgeht, dann wissen wir jetzt schon, wer Schuld hat. Manch ein Politiker musste zurücktreten, weil er bei seiner Planung diese goldene Regel missachtet hatte. Das soll mir nicht passieren! Also, wo ist die Telefonnummer von Matthias, schnell! Er kann ja schon mal mit der Sprengung vom Fahrstuhlschacht anfangen. Das gibt eine donnernde Feier des ersten Spatenstichs!“
Mit verklärten Augen genießen die beiden diesen gemeinsamen Höhepunkt ihrer Besprechung. Markus sieht die ersten Schlagzeilen vor sich: Markus’ Special - Space-City im Spessart – ein Markstein der Zukunft. Im Geiste winkt er huldvoll aus dem ersten Stock seines gleißenden Gebäudeflügels auf der Solhöhe den frenetisch jubelnden Wählern zu.
„Markus, jetzt aber bitte!“ ruft es durch den Besprechungsraum. „Markus!“, brüllt Horst überschnappend. „Wir brauchen Dich und zwar gefälligst sofort! Im Finanzausschuss muss mein Strukturprogramm Spessart durchgewinkt werden. Sieh zu, wie Du den Finanzausgleich hinbringst.“
P.S. Dass Markus und Marianne beim ersten Ortstermin auf der Sohlhöhe auf dem rutschigen Rand des Damms um den See des Pumpspeicherwerkes ausgeglitscht sein sollen, ins Wasser plumpsten, hektisch darin herum ruderten, weil sie sich nicht mehr selbst befreien konnten und Markus über 112 bitten musste, dass man den See und ihn gefälligst schnell wieder hoch pumpen solle, damit er endlich aussteigen könne, das war wohl doch nicht so, sondern ist vermutlich nur Verleumdung durch den politischen Gegner.