Aus gewöhnlich gut unterrichteter Quelle ist uns zugetragen worden, dass eine ältere Frau in einem roten Cabriolet bisher unbekannter Marke das Rondell vor unserem Schloss umrundet haben soll. Obwohl das Verkehrszeichen "Durchfahrt verboten" allen Fahrzeugen ausdrücklich den Zugang verwehrt! Der Augenzeuge hat berichtet, dass alles unter den Augen des Bürgermeisters und der stellvertretenden Landrätin geschehen sein soll. Die beiden letzteren habe er eindeutig identifizieren können, weil sie ihm persönlich bekannt seien. Anstatt gegen diese offensichtliche Missachtung der Beschilderung vorzugehen, hätten diese beiden Amtspersonen der Frau jedoch scheinbar freundlich zugewinkt und ihr sogar aufmunternd zugenickt. Unser Informant geht davon aus, dass diese offensichtlichen Aufforderungen die Täterin motiviert haben, noch zwei weitere Runden um das Schlossrondell zu fahren, bis ihr Fahrzeug endlich zum Halten kam.
Daraufhin seien neben anderen Personen auch noch der oben genannte Bürgermeister und die bereits erwähnte stellv. Landrätin zum Fahrzeug geeilt. In der Gewissheit, dass nunmehr amtlicherseits die offensichtliche Zuwiderhandlung gegen das Durchfahrtsverbot geahndet werden würde, habe sich unser Berichter persönlich zurückgehalten und sei nicht näher an die Personengruppe herangetreten, weshalb er die Worte des Bürgermeisters nicht habe verstehen können. Er bezeugt aber, dass die Körperhaltung und der Gesichtsausdruck aller Beteiligten nicht einmal ansatzweise haben erkennen lassen, dass die Frau zur Rede gestellt worden wäre.
Im Sinne einer Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verkehrssicherheit kann ein derart eklatanter Widerspruch nicht hingenommen werden! Zu dessen Aufklärung hat diese Zeitung sofort Recherchen aufgenommen und dabei aus einer weiteren Quelle – für deren Nichtnennung wir hier um Verständnis bitten – erfahren können, dass bei o.g. Vorfall nicht nur das Durchfahrtsverbot missachtet worden sei, sondern es darüber hinaus auch noch amtlich verbürgt sei, dass die Frau mit 100 gefahren wäre. Auf unsere verblüffte Nachfrage angesichts der schockierenden Höhe dieser Zahl für eine Fahrt INNERHALB einer GESCHLOSSENEN ORTSCHAFT, hat unser zweiter Informant ausdrücklich bestätigt, dass es ganz exakt EINHUNDERT gewesen seien. Seine weiteren Erklärungen gingen leider in einem Rauschen – vermutlich wegen eines Funklochs in der Gesprächsverbindung – unter.
Da derartige, ganz offensichtliche und extreme Gesetzesübertretungen nun wirklich nicht hinnehmbar sind und weil wir unseren Lesern eine vorbehaltlose Aufklärung schulden, haben wir nach weiteren Bemühungen folgendes abklären können: die Dame ist tatsächlich mit 100 gefahren! Der Bürgermeister und die stellv. Landrätin sind tatsächlich vor das Schloss gekommen. Alle soeben berichteten Details entsprechen vollauf der Wahrheit. Die beiden Amtspersonen haben der alten Dame zu ihrem 100sten Geburtstag gratuliert, der im Schloss gefeiert worden ist. Es hat sich jedoch nicht mehr feststellen lassen, mit welcher Geschwindigkeit sie vorgefahren worden ist.
Detlev Stupperich 18. Juli 2015
Fahrzeug: Kurt Knolle. Foto: Niels Stappenbeck.