Heute Nacht konnte ich nicht so recht einschlafen. Grade wenn die Augen mal wieder zugefallen waren, hörte es sich so an, als ob es in der Ecke links raschelte. Seit wann lesen sich die Zeitungen denn im Stapel selber? Dann wieder Ruhe. Jetzt klang es so, als ob die Matratzen etwas zusammen schnarchen wollten. Hallo? Dafür bin ich doch eigentlich zuständig, oder? Beschämte Ruhe wirkte wie eine Akzeptanz meines inneren Wunsches. Aber dann kuschelten sich die drei Reservekissen in ihrer großen Tüte von alleine. So als ob sie etwas verliebt ineinander wären und die Gelegenheit des geräuschvollen Vorbildes von Zeitungen und Matratze nutzen wollten, um mal so richtig die "Sau raus zu lassen".

Das ging mir aber dann doch zu weit. Eifersüchtig knipste ich das Licht an: „So ihr Kissen, ihr Matratzen, ihr Zeitungen, was habt ihr euch dabei gedacht, so unverblümt meine Nachtruhe zu stören? Und dann widerborstig meinen deutlichen Wunsch nach etwas Nachtruhe einfach zu ignorieren? Sagt schon, was ist hier los?“ Aber nichts tat sich. Als ob sie der Vorwurf einer „unverblümten Störung“ gar nichts anginge, denn weder auf den Kissen und den Matratzen seien Blumen und in den Zeitungen auch nur ganz wenige.

Alle waren so mucksmäuschen still, als wäre schon der Gedanke an irgendwelche Geräusche eine Ruhestörung. Doch nein, was tut sich da in der Ecke? Der Teppich! Der Teppich? Der wird sich jetzt doch nicht etwa auch noch erfrechen wollen? Ja tatsächlich, im blendend grell erscheinenden mitternächtlichen Licht der Deckenbeleuchtung war zu sehen, wie sich eine Ecke des Teppichs, da hinter dem kleinen Regal, ein ganz kleines bisschen bewegte. Die Aufwölbung war kaum wahrzunehmen. Also das ist ja jetzt wirklich die Höhe! Das konnte ich so nicht durchgehen lassen. Wenn ich all diesen Gegenständen im Schlafzimmer nicht nur freundliches Asyl gewähre, sondern sie nächtens auch noch mit meiner Präsenz beglücke, also dann könnten sie ihre Raschel-Schnarch-Kuschel-Runden doch wenigstens tagsüber abhalten; dann, wenn ich nicht da bin. Ja, ja; Undank war schon immer der Welten Lohn.

Vermufft stierte ich in die Ecke hinter dem Regal, auf Gehorsam, Ruhe und wenigstens eine Mütze voll des köstlichen Schlafes hoffend. Vergebens. Der Teppich, als wenn ich nichts gedacht und gesagt hätte, sondern voll die Dreistigkeit, der bewegte sich noch immer. Meine verschlafenen Augen gewöhnten sich an das Halbdunkel hinter dem Regal. Und sahen den Rädelsführer dieses nächtlichen Aufstandes: Ein Igel hatte sich halb unter den Teppich verkrochen. Mit ebenso verschlafenen Winzig-Äuglein wie ich blickte er mich verwundert an. Er hätte doch nun grade eben mit Zeitungen, Matratzen, Kissen und Teppich erfolgreich verhandelt. Was ich denn nun noch von ihm wollte? Es sei doch schließlich Mitternacht. Ob ich nicht nun endlich mal …

Das Gespräch mit dem Igel war etwas zäh. Aber schließlich konnte ich ihn davon überzeugen, dass der Teppich doch etwas kratzig für seine schönen Borsten wäre. Im Garten gäbe es kuscheliges Laub und mattes Gras. Der Igel hat es schließlich eingesehen. Aber selber gehen? Nein, das ginge nicht. Ich müsste ihn noch die Treppenstufen herunter in den Garten tragen. Ich habe ihm zwar keinen roten Teppich ausgerollt, aber ihn auf einer roten Kehricht-Schaufel wie auf einer Sänfte behutsam befördert. Um ihm dann noch eine schöne Rest-Nacht zu wünschen.

Detlev Stupperich 2. März 2020