Großereignis auf dem Kunstmarkt: Ein bisher unbekanntes Blatt ist aufgetaucht, das Kunstexperten mit hoher Wahrscheinlichkeit Leonardo Da Vinci zuordnen, da es die gleiche Schrifttype und den nämlichen Duktus der Zeichnungen aufweist, die schon aus seinem opulenten Frühwerk bekannt sind.
Eine interpretatorische Herausforderung bereitet allerdings der scharfe Kontrast zwischen dem nur grob skizzierten Hebelwerk im Mittelpunkt und den extrem detaillierten, offensichtlichen Exkrementen unten rechts mit einem Löffel – zu dessen Aufnahme und Entsorgung? – und deren mit ebenso hoher Präzision noch einmal wiederholter Darstellung unten links auf einem kastenförmigen Gerät – vielleicht einem Brandofen mit einem Handgriff?
In der Darstellungsweise ähnlich zu den beiden fein gezeichneten Unrat-Entsorgungsvorschlägen mit typisch realistischen Vorrichtungen schaut weiter oben, hinter der im Gegensatz dazu nur skizzenhaft angedeuteten Mechanik, ein schelmisch fratzenhaft grinsender Dämon hervor. Seine großen, glänzenden Augen ebenso wie die Schnauze ähneln einem lustvollen Schwein, aber die Haarbüschel um seine Ohren herum bis auf sein Haupt wirken eher vegetabil. Die Figur verbindet pflanzliche und tierische Akzente miteinander, tritt demnach als eine Verbindung einer animalischen Pflanze mit einem fleischlosen Tier auf. Die anfänglich nicht so einfach zu greifende Definition dieses Ungeheuers ist deshalb als die zweidimensionale Darstellung eines nach dem damaligen Naturverständnis nicht erklärbaren Phänomens in einer weiteren Dimension zu interpretieren.
Für Da Vinci nicht ganz gewöhnlich ist, dass sich am linken oberen Rande der recht gradlinigen Mechanik in nur ganz flüchtig angedeuteten, aber meisterlich schnellen Strichen ein menschliches Gesicht abzeichnet, das mit seinem Hinterkopf und seinem Hals in die Mechanik übergeht. Ohne Zweifel wird dadurch eine ganz starke Verbindung zwischen Mensch und Maschine symbolisiert.
Dieser nur als Silhouette dargestellte Frauenkopf im linken oberen Bereich der Mechanik hat in seiner Körperhaltung, insbesondere mit dem ganz nach hinten geworfenen Haupt etwas Desperates, das durch den weit aufgerissenen Mund verstärkt wird. Insgesamt vermittelt die Darstellung, dass sich die Person in einer für sie sehr unangenehmen Situation befindet.
Unterhalb der Mechanik entspringen strahlenförmige Eruptionen aus dem Erdreich, die sich in die Technik hinein ausbreiten. Da sie sich jedoch auf den Außenflächen der Klappen, Haken, Gelenke und Profile nicht weiter erkennbar fortsetzen, sondern in sie einzudringen scheinen, stellen diese Ausbrüche etwas Immaterielles, Gegenstandsloses dar. Auf dem Niveau der bildlichen Symbolisierungen des 15. Jahrhunderts markieren diese Strahlen den Weg scharfer Gasausbrüche. Dass sie nicht in einer lieblichen Wolke verschwinden, sondern eben sehr scharf konturiert sind, könnte mit der auch für uns üblichen Redensart eines scharfen Geruches in Verbindung gebracht werden.
Eine erste Interpretation deutet die animalische Figur rechts hinter der Mechanik als den Transformator, der die von unten in ihn eindringenden Gerüche „dämonisiert“, also verstärkt und wieder aussendet. Die weibliche Person an der linken Seite ist der Empfänger dieses Geruches, der entsprechend ihrer Körperhaltung und dem Gesamtausdruck sehr unangenehm sein muss. Gemeinhin wird ein unangenehmer Geruch auch als Gestank bezeichnet, der sich dann gemäß dieser Darstellung von unten her über das transformierende Ungeheuer zu der empfangenden Dame ausbreitet und von ihr qualvoll zuerst zwar aufgenommen, aber dann erlösend direkt in eine imposante Mechanik eingeleitet wird.
Die zentrale Größe dieser Mechanik zusammen mit den beiden Häufchen im unteren Bereich kann deshalb nur so verstanden werden, dass sich Leonardo da Vinci bereits im 15. Jahrhundert mit den Möglichkeiten zur Beseitigung übelster Gerüche beschäftigt hat. In einem weiteren Sinne ist damit auch die heutige Sorge über zu viel CO2 vom Genie dieses zu Recht weltberühmten Universalkünstlers mit seiner revolutionären Zeichnung vorweggenommen.
Die ansonsten für Leonardo da Vinci ungewohnte Verbindung zwischen Mechanik und Mystik, das gleichberechtigte Nebeneinander zwischen der perfekten Präzision einer höchst naturalistischen Darstellung und einer schon fast expressionistischen Verkürzung der Andeutung eines Menschen, die dennoch in meisterlicher Manier sofort eine elegante Dame erkennen lässt, suggeriert mit hoher Sicherheit, dass es sich hier um ein Spätwerk handelt.
Primär kommt höchste Spannung darüber auf, mit welcher Technologie das Universalgenie die ultimative Beseitigung des Gestanks angegangen ist. Die heutige, dramatisch angestiegene Schadstoffbelastung unserer Umwelt und unserer Mentalität lässt mit höchstem Interesse darauf hoffen, dass sich hier die verschlüsselte Darstellung eines innovativen Konzeptes offenbart. Welch große Chance tut sich auf für Umwelttechnologen und Psychologieforschung!
Sekundär übermittelt uns Leonardo Da Vinci nach aktuellem Stand der kunsthistorischen Interpretation mit seinem Werk die mystisch verklärte Botschaft, dass alle Vorgänge in der Natur letzten Endes einen Kreislauf bilden, den wir zuerst als einen solchen erkennen müssen, um dann die Chance zu ergreifen, mit einer sinnreichen Organisation, wie zum Beispiel der hier symbolisch dafür klappernden Mechanik darauf einwirken zu können, sodass eine gesunde Balance zwischen dem Schalk des Dämons im rechten Bereich und der Verzweiflung der eleganten Dame in der linken Hälfte dieser Skizze hergestellt wird. Dass Leonardo damit sogar psychologische Denkweisen antizipiert hat, die auch für unsere hektische Zeit noch richtliniengebend sein können, ist die eigentliche Sensation.
Nachdem dieses Kunstwerk auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen aufgetaucht ist, und kunsthistorisch als Original qualifiziert worden ist, bleibt die Aufgabe für die Menschheit, auf die Jagd nach den mystischen Motiven seines Meisters ebenso wie nach dem technischen Geheimnis dieser epochalen Darstellung zu gehen. Ein dramatischer Rekord in der milliardenschweren Bewertung dieses „Gestankbeseitiger“ genannten Kunstwerkes ist zu erwarten.
Detlev Stupperich 12. März 2020