Ein Ehepaar mittleren Alters sitzt am Samstagmorgen beim Frühstück und teilt sich die Zeitung. Er liest den politischen Teil, sie hat gerade den Regionalteil in der Hand.

Sie: Duu, Werner, hör mal!

Er:  Was ist denn?

Sie: Da steht eine Reise in der Zeitung. Genau an unserem Hochzeitstag!

Er: Was für eine Reise?

Sie: Ja, am übernächsten Samstag. Hör mal: „Besuchen Sie mit Reisebüro Pegasus das wunderschöne Bamberg!“ Das ist doch genau an unserem Hochzeitstag. Werner, ich war noch nie in Bamberg!

Er:  Hast du nicht letzte Woche gesagt, du willst, dass wir an unserem   Hochzeitstag mal ganz alleine sind, schicken die Kinder zu meiner   Mutter und gehen zu zweit ganz toll essen?

Sie: Schon, aber ich war doch noch nie in Bamberg! Da soll es ja so schön sein. Und mittags können wir sicher mal von der Gruppe weg und uns allein ein schönes Lokal suchen.

Er:  Gruppe! Ausgerechnet du! Sonst hast du immer auf diese Gruppenreisen geschimpft. Von wegen ‚Herdentrieb’ und so.

Sie: Man kann doch seine Meinung auch mal ändern. Das passt wirklich so gut zusammen: Bamberg, und an diesem Tag! Werner, fahren wir doch mit!

Er:  Also gut, Renate, wenn du meinst. Dann machen wir es halt.

Er will in der Zeitung, die er vorher beiseite gelegt hat, weiter lesen.

Sie: Aber dir macht es auch Spaß, oder?

Amüsiert antwortet er: Ja, mir macht es auch Spaß. Ich war auch noch nie in Bamberg.

Sie: Und die Kinder können wir trotzdem zur Oma bringen
Du, Werner?

Er legt die Zeitung wieder beiseite und wendet sich seiner Frau zu: Ja?

Sie: Kannst du das vielleicht gleich am Montag erledigen, dass du uns für die Busfahrt anmeldest? Das Reisebüro ist doch gleich um die Ecke von deiner Arbeit.

Er: Ja gut, ich mach’s.

Am Montag nach der Arbeit. Sie küssen sich zur Begrüßung.

Sie: Hallo Werner!

Er: Hallo Renate!

Sie: Und? Hat’s geklappt?

Er: Was geklappt?

Sie: Die Anmeldung! Hast du uns für die Fahrt nach Bamberg angemeldet?

Er: Bamberg?

Er denkt einen Moment nach.

O Renate, das hab’ ich vollkommen vergessen! Entschuldige, ich werd’s morgen machen.

Sie: Ist nicht so schlimm. Der Ausflug ist ja erst Ende nächster Woche. Wenn du nur morgen wirklich daran denkst!

Am nächsten Tag, nach der Arbeit. Werner schwenkt stolz einen Zettel durch die Luft, als er nach Hause kommt:

Hallo Schatz, na wie geht’s dir? Schau mal!

Sie: Was ist denn das?

Er: Na, die Anmeldebestätigung für unseren Ausflug!

Sie: Ach prima, Werni! Schön, dass du daran gedacht hast. Du, im  vorletzten Heft unserer Fernsehzeitung stand ein Artikel über Bamberg. Mal schauen, wo es sein könnte.

Werner schaltet den Fernseher ein.

Sie: Werner, weißt du, wo das Heft ist?

Er zieht leicht ungeduldig die Augenbrauen hoch und atmet tief ein: Nein, Renate.

Sie: Ach, da ist es ja! Schau mal, Werner…

Er: Ja. Bitte lass mich jetzt die Sendung…

Du immer mit deinen Sendungen, unterbricht sie ihn.

Oh, Bamberg ist wirklich interessant.

Sie vertieft sich in den Artikel und murmelt vor sich hin:

Ich könnte mal mit Sabine sprechen, die hat ein paar Jahre in Bamberg gearbeitet.

Er: Hm? Bitte, Renate!

Sie: Schon gut. Ich hab’ mit mir selbst gesprochen. Du hörst ja doch nie so richtig zu.

Am Vorabend des Ausflugs

Sie: Werner, hast du eigentlich schon gepackt?

Er: Gepackt? Renate, das ist ein Tagesausflug!

Sie: Ja, ich weiß. Aber hast du dir wenigstens überlegt, was du morgen anziehst?

Er: Noch nicht. Aber das kann ich heute Abend bei der Sitzung tun, wenn der Michael wieder so lang quatscht – äh, seine Meinung ausführlich darlegt und begründet.

Sie: Gute Idee, dann kommt bei eurer Sitzung wenigstens etwas  heraus. Wann bist du denn zurück?

Er: Puh, Renate! Keine Ahnung. Es kann spät werden.

Es wird auch spät. Eine halbe Stunde vor Mitternacht kommt Werner nach Hause. Er schließt leise die Wohnungstür auf, um seine Frau nicht zu wecken. Schnell zieht er sich aus, geht ins Bad und dann gleich ins Bett. Während er noch gähnt, schläft er schon ein.

Am Tag des Ausflugs

Renate wacht auf und reckt sich, um den Wecker auf Werners Seite betrachten zu können. Plötzlich ist sie hellwach.

Sie: Werner! Es ist acht Uhr!

Er gibt brummende Laute von sich.

Sie: Werner, wir haben verschlafen! Um halb acht ist der Bus nach Bamberg weggefahren

Er: Wohin? Was für ein Bus? Oh, nach Bamberg! Schade.

Sie: Schade? Ist das alles, was dir dazu einfällt? Warum hat der Wecker nicht geläutet?

Er: Was für ein Wecker? Heute ist doch Samstag!

Sie: Herrgott, „Was für ein Wecker?“ Hast du den Wecker etwa gar  nicht gestellt für unsere Fahrt?

Erst jetzt dämmert es ihm:
Ach Renate, gestern Abend war ich fix und fertig. Ich hab’ an den Wecker überhaupt nicht mehr gedacht. Das tut mit jetzt aber echt leid!

Er will sie tröstend umarmen, aber sie schüttelt seinen Arm unwillig ab.

Sie: Es tut dir Leid! Davon hab’ ich jetzt aber viel! Ich hab’ mich so auf heute gefreut!

Er will sie beruhigen: Renate, schau, der Bus ist nun mal weg. Die Kinder sind bei der Oma. Komm, lass uns nicht streiten. Schließlich ist heute unser Hochzeitstag!

Sie: Jetzt auf einmal!

Er: Renate, sei doch nicht sauer! Jetzt frühstücken wir erst mal in Ruhe, und mittags gehen wir halt hier zum Essen weg. Magst du in den Schwarzen Adler?

Sie: In den Schwarzen Adler! Das ist doch nichts Besonderes!

Er: Dann überleg dir etwas, Renate, hm? Ich schau mir inzwischen die Nachrichten an.

Sie: Die Nachrichten! Fernsehen ist wohl alles, was dich interessiert? Wir können auch daheim bleiben, und ich stell dir ein paar Brote und ein Bier vor die Glotze!

Damit sie sich nicht noch mehr ärgert, verkneift er sich eine Antwort.

Zwei Stunden später.

Nachrichtensprecher:

Im dichten Nebel sind heute Morgen auf der A 70 kurz vor Bamberg mehr als 20 Fahrzeuge ineinander gerast. Darunter war auch ein voll besetzter Reisbus, der beim Aufprall auf einen Lastwagen umgestürzt ist. Die meisten Insassen trugen Verletzungen davon. Dies ist nun das vierte Mal innerhalb von ….

Er: Renate! Komm schnell! Ist das nicht der Bus vom Pegasus?

Sie: Ja! Mensch, Werner!

Sie fallen sich in die Arme.