In den ersten Tagen des Jahres fließt die Zeit etwas ruhiger, tuckert dahin wie eine gemächliche alte Dampflok. Weihnachtsbeurlaubt überlegt man sich vollgefressen und träge, welche guten Vorsätze man fassen könnte – um sich dann aber doch lieber vorzunehmen, sich nichts vorzunehmen.
Wenn die letzten Lebkuchen weggeknabbert sind, kommt die Lok langsam in Fahrt. Die Vorsätze wurden zwar nicht offiziell gefasst, sitzen aber doch irgendwie im Kopf. Man meldet sich im Fitnessstudio an und nimmt sich vor, jetzt endlich mal die Steuererklärung von vorletztem Jahr in Angriff zu nehmen.
Der Frühling treibt den Zug dann mächtig an, alle stürmen freudig vorwärts und wagen an sonnigen Tagen die ersten Outdoor-Events. Auf entmotteten Gartenmöbeln werden Pläne für Blumen und Gemüse geschmiedet, alles drängt raus ins blühende Grün.
Im Sommer saust der Zug flott dahin, hält aber an vielen Bahnhöfen. Lange Tage, kurze durchfeierte Sommernächte, nach den Schlachten an der Metzgertheke die Grillsausen. Zweitausend Kilometer mit dem Auto, dann Chillen in der südlichen Hängematte.
Nach der großen Sommerferienpause gibt der Zug nochmal Gas, lauter neue Projekte. Im August müssen die Lebkuchen ins Regal, neue Schuljahre und Semester starten.
Im Laufe des Herbsts wird das Tempo matter. Aber der Garten muss winterfest gemacht werden, also nochmal Zwischengasschübe.
So ab Mitte, Ende November nimmt das Jahr dann Mords-Fahrt auf, wie der Shinkansen, der japanische Hochgeschwindigkeitszug. Die Adventszeit hieß zwar mal „die stille Zeit“, aber das war vor dem allzeit verfügbaren Konsumrausch. Ob drängelnd im festlich geschmückten Shoppingcenter mit Xmas-Songs im Ohr oder auf dem Sofa mit dem Laptop, die Geschenke kaufen sich schließlich nicht von alleine. Plätzchen sind zu backen – und dann muss noch so viel anderes Zeug erledigt werden, das Jahr ist ja nicht mehr lang – Hektik, Stress, ich muss das alles noch kaufen, noch schaffen –
Dann leichtes Abbremsen unterm Weihnachtsbaum, aber meistens immer noch Stress. Die Geschenke müssen verpackt werden, die Gans muss in den Ofen, die Gans muss aus dem Ofen, das Wachs tropft oder die Lichterkette hat einen Kurzschluss. Für die Bewegung vielleicht ein paar Spaziergänge durch das meist weihnachtlich feuchte Grün, oder Stürzen in den Ferienreiseverkehr für Rutscher durch den Schnee.
Dann auf zu Silvester, ein letztes Gasgeben, der Zug jagt durch die Winternächte, Party hoch zwei, nee, hoch Giga!
In den Sektperlen und Silvesterraketen löst sich die ganze Hektik schließlich buchstäblich in der Luft auf.
Und dann kann das neue Jahr beginnen, am Anfang dahintuckernd wie eine gemächliche …