Es war einmal eine kleine Stadt am Main.

In einem Weinlokal gleich neben dem alten Rathaus trafen sich regelmäßig drei muntere Stammtischbrüder. Diese untersuchten, vom Wein angeregt, die Geschichte der kleinen alten Stadt. Daran hatten die drei Herren großen Gefallen und waren sehr angetan von ihrem Zeitvertreib.

Die drei waren honorige Bürger dieses Städtchens, wohlbekannt bei der Bevölkerung und auch anerkannt .

Einer dieses Trios war der Herr Museumsleiter. Der forschte in den Schriften, die er in seinem Keller gefunden hatte. Gemeint ist der Keller des Museums, im Lohrer Schloss. Dort moderten die Schriftstücke seit langer, langer Zeit vor sich hin.

Bei dem zweiten Herrn handelte es sich um einen gut bekannten und aus der Stadt nicht wegzudenkenden Lohrer Schuhmachermeister. Ein Lohrer Original. Dieser hatte während seiner Arbeit viel Zeit, zu philosophieren. Das tat er sehr gerne.

Leider weilen diese beiden nun nicht mehr unter uns.

Den Dritten, einen sehr bekannten Apotheker, hat man aufgrund dieser Forschungen inzwischen zum Ehrenbürger der kleinen Stadt ernannt. Er weilt noch unter uns.

Diese drei Herren gruben nun gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ein altes Märchen der Gebrüder Grimm aus, das man aufgrund eindeutiger Belege aus dem Keller des Lohrer Schlosses hier ansiedeln könnte.

Die Begeisterung der Lohrer Bevölkerung ist noch immer grenzenlos und sie freut sich im Quadrat, fast wie bei der Relativitätstheorie. Die entsprechende Formel wird sicher bald gefunden werden.

Man macht sich bereits sehr viele Gedanken, etwa

                                   Schneewittchen gleich Lohrer Schloss im Quadrat

                                                        

                                                          S = LS x X + X – 2x2  

                                                             Oder so ähnlich

                            

Da diese Gleichung zu lösen nicht gerade einfach werden wird, bräuchte man viele kreative Köpfe.

Jetzt hat man sich also Gedanken gemacht, wie man hier in dieser kleinen, verträumten Stadt am Main dieses Problem lösen könnte.

Der Stadtrat hatte sich in vielen, vielen Sitzungen über Jahre hinweg damit beschäftigt. Dabei kam die Idee auf, dass man ja eigentlich da unten an der Jahnstraße, vor dem Schwimmbad, dort wo früher die alte Stadthalle stand, ein großes, ein sehr großes neues Gebäude bauen könnte.

Dies sollte dann eigentlich die neue Stadthalle werden. Doch wie immer war man sich im Stadtrat nicht so einig, deshalb entschlossen sich die Räte der Stadt, erst einmal ein großes Gebäude zu planen. Darüber zogen einige Jahre ins Land.

Als dann endlich die Planung abgeschlossen und der Beschluss gefasst war, in Lohr eine große Stadthalle zu bauen, merkten die Bürger, dass sie eigentlich gar keine Stadthalle mehr bräuchten.

Inzwischen hatten sie nämlich mitten in der Stadt in der Gärtnerstraße die alte Turnhalle neu saniert und wollten daraus eine Kulturhalle errichten.

Jetzt hatte man in Lohr ein Problem.

Eine Stadthalle in der Jahnstraße und die Kulturhalle in der Gärtnerstraße. Das wären zwei Kultur- Veranstaltungsorte .

In Lohr! Das muss man sich mal überlegen: Zwei Kulturhallen in Lohr!

Das könnte die Bürger sehr verwirren. Wie sollten sie sich entscheiden, wenn an einem Wochenende gleich zwei Veranstaltungen an zwei verschiedenen Orten wären?

Und im Sommer gab es ja noch den Schlossplatz und die Spessartfestwoche!

Da musste eine Lösung her. --

An der Jahnstraße waren die Mauern schon hochgezogen. Der Bau hatte bereits viel Geld verschlungen. Bürgergeld, Steuern und Geländeverbrauch. Eine Schneewittchenskulptur war längst beim Künstler in Arbeit und kostete.

Die Skulptur sollte auf dem großen Vorplatz der neuen Stadthalle an der Jahnstraße aufgestellt werden.

Werbung für die Stadt. Musste ja auch sein.

Eine verfahrene Sache. Der Stadtrat hatte keine Möglichkeit aus den Knebelverträgen herauszukommen. Der Künstler hatte auch seine Vorstellungen, von denen er nicht abweichen wollte. Guter Rat war teuer, besonders wenn man diesen Rat erst hinterher suchte.

Das führte zu großen Diskussionen und war sehr anstrengend. Die allseits bekannten Leserbriefschreiber meldeten sich in der Presse, hatten aber auch keine neuen Ideen. Sie wussten nur wie immer alles besser. –

Es war hart.

 

Und jetzt kommt meine kreative Phantasie ins Spiel!

Eine Stadthalle war nicht mehr zwingend nötig, da es ja die Kulturhalle geben würde.

Das Schneewittchen fand seinen Platz vor dem neuen Gebäude an der Jahnstraße.

So viele Fragen gab es zu diesem Schneewittchen mit all seinen Ecken und Kanten.

Die örtliche Schneewittchenstory lebt und ist noch lange nicht beendet.

Die Fabulologie, einmal losgetreten, fordert ihren Tribut.

Dazu bräuchte man eine ernsthafte wissenschaftliche Untersuchung, einen neuen Studiengang.

Dieser neue Studiengang braucht einen Platz, an dem die wissenschaftliche Arbeit geleistet werden kann.

Neue Forscher müssen gefunden werden und sie brauchen Platz, um in Ruhe zu studieren und zu forschen.

Da das Gebäude in der Jahnstraße wenige und sehr kleine Fenster besitzt, könnten die Wissenschaftler dort ungestört arbeiten.

Wäre es nicht möglich, aus diesem Gebäude die erste Universität der Fabulologie zu machen?

Auf dem Patz vor dem Lohrer Schwimmbad könnte so die erste Schneewittchenuni der Welt entstehen!

Da das Geld hier in Lohr keine so große Rolle spielt, könnte man die Einweihung der Stadthalle mit einem internationalen Schneewittchentag verbinden.

„Nein, ich werde mich nicht in den Stadtrat wählen lassen!“

© Inge Frankenberger, 12.02.2016