Es war Abend geworden, sie hatten das abschließende Tagwerk verrichtet und waren rechtschaffen müde. Warum hatten sie sich auch die schwierigsten Aufgaben für den Schluss aufgehoben? Der Abgabetermin nahte. Ekvet, den sein Rücken schmerzte, fragte zum wiederholten Male, warum sie den Auftrag überhaupt angenommen hatten. Ewod betrachtete seine vom vielen Wasser aufgeweichten Hände und Egor ließ die Arme hängen, unfähig sie ein weiteres Mal zu heben. Gibt es denn keine anderen, die sich hätten um diese blöde Kugel kümmern können? Und gerade jetzt kommt auch noch Eslunk, der Auftraggeber, zur Tür herein. Der hatte ihnen mit seinen ständigen Beschwerden gerade noch gefehlt.

„’n Abend, Männer!“

„’n Abend, Eslunk!“

„Also, insgesamt ist es ja eine schöne runde Sache geworden, besonders diese Detailarbeiten heute. Ekvet, Du hast es ja besonders bunt getrieben. Ewod, Du hast Deine Genialität ja geradezu verströmen lassen und Du, Egor, hast ja wirklich Spitzenleistungen vollbracht. Aber – wie euch ja bestimmt auch aufgefallen ist – ein kleines Stück fehlt noch, dann ist das Werk vollendet.“

„Und wo soll dieses fehlende Stück sein?“, fragte Ewod und dachte sich insgeheim, schlimmstenfalls könne er es ja einfach fluten.

„Nun“, entgegenete Eslunk, „gerade zwischen Odenwald, Vogelsberg, Rhön und Steigerwald. Da muss noch etwas hin.“ Schon war er draußen bei der Tür und ließ die Kartenübersicht der verrichteten Arbeiten liegen, auf der wirklich noch ein kleines Stück weiß geblieben war.

Da waren die drei Hilfsgötter ziemlich mutlos. Ekvet beschwerte sich: „Ich hab mir heute mit den Blumen auf Madeira soviel Mühe gegeben, ich brauche dringend Urlaub.“ Ewod fiel ihm ins Wort: „Und ich habe mich mit den Deltas verausgabt: Po, Amazonas, Mississippi – vom Mekong ganz zu schweigen.“ Ekvet lachte: „Das mit dem Okawango war aber eine Pleite, ein Riesendelta und kein Meer weit und breit!“ Egor bereute mittlerweile, die Dolomiten gar so verspielt ausgestaltet zu haben und sagte, „Wisst ihr was, wir machen etwas ganz Einfaches, wenn das Loch einmal zu ist, schaut keiner mehr hin; ich nehme bloß ein bisschen Sand, klopfe ihn fest, wische mit den Händen drüber und mache so etwas Welliges, das muss reichen.“ Ekvet stimmte ein: „Wunderbar! Und die Vegetation wird unaufgeregt, zwei drei Bäumesorten, das muss langen.“ Ewod schloss sich an: „Genau! Keine verspielten Flusssysteme mit Mäandern, Seitenarmen, Bifurkationen und solchen Sonderwünschen, ich nehme einfach den Main, der ist ja grundsätzlich schon angelegt, führe ihn in einem Bogen außen herum und die Sache ist erledigt.“ „Na ja, ein paar Nebenflüsse müssten schon noch drin sein.“, monierte Ekvet. „Dann machst Du aber schöne Bäume ans Ufer, Pappeln, Erlen, ...“, bekam er es sofort zurück.

Am nächsten Tag waren sie schnell fertig. Egor schüttete ein paar Haufen Sand, der ihm von den verschiedenen Wüsten übrig geblieben war, auf und trat sie fest. Diese versperrten sogleich dem Main seinen geraden Lauf, sodass Ewod nur mehr die Flussufer glattstreichen musste und Ekvet pflanzte im Akkord Buchen und Eichen und Buchen und Eichen ...

Da kam Eslunk vorbei und betrachtete das Ergebnis seiner Mängelrüge. Zufrieden blickte er auf das quadratische Stück Land und sagte: „Klasse! Richtig gemütlich. So hätte ich mir die ganze Erde vorgestellt. Ich hole noch Adam, Eva, Lucy, den Heidelberger, Neander, Ötzi und all die anderen, verteile sie über die Welt und bin gespannt, ob ihre Nachkommen hierherfinden.“

Peter Gröbner, Oktober 2014