I. Am Telefon
„Bub, es war aber auch wirklich wieder mal Zeit, dass Du anrufst.“
„Mama, ich rufe Dich jeden Tag an. Jeden Tag um 17 Uhr.“
„Und mit wem soll ich den restlichen Tag reden? Was bist Du auch so weit weggezogen?! Nur wegen dieses Flittchens …“
„Mama, ich will nicht, dass Du so von ihr redest.“
„Sie hat Dich schließlich betrogen. Warum bist Du nicht hier geblieben und hast die Crescentia geheiratet?“
„Weil die Zenzi nichts von mir wissen wollte.“
„Wie kann man von Dir nichts wissen wollen? Du aber musstest fort wegen dieses Flittchens, Dir in der Stadt eine Arbeit suchen und jetzt kannst Du – wie Du es nennst – aus beruflichen Gründen nicht zurück. Wenn das so weitergeht, wirst Du erst zu meinem Begräbnis wieder hier sein.“
„Bis dahin habe ich aber noch viel Zeit, Mutter. Du bist doch noch fit.“
„Nein Bub, sie rufen mich schon.“
„Wer ruft Dich?“
„Na die, Du weißt schon, die von der anderen Seite. Jeden Mittag, wenn ich von meinem Schläfchen erwache, höre ich, wie sie’s sagen: Es ist Zeit … Ja, wenn Du mich nicht bald besuchst, kannst Du es nur mehr auf dem Friedhof tun.“
II. Zu Besuch
„Na also, Bub, schön, dass Du da bist – war aber auch schon Zeit.“
„Na ja, muss auch wieder mal nach meinem Mütterchen schauen.“
„Übrigens, die Zenzi kommt dann zum Kaffee, sei nett zu ihr!“
„Ich war immer nett zu ihr, aber auch nicht ihr Typ – und mittlerweile ist sie meiner auch nicht mehr.“
„Jetzt sei doch nicht so. Gerade, dass sie sich nicht Hals über Kopf in Dich verliebt hat, zeigt, doch, dass sie nicht so ein Flittchen ist. Aber jetzt lass mich mein Mittagsschläfchen machen, Du kannst inzwischen Deine Sachen in Dein altes Zimmer räumen und Dich ein bisschen erfrischen – Du weißt, die Crescentia kommt dann.“
III. Im Äther
„Es ist Zeit ...“
„Hörst Du’s? Sie rufen mich! Sie haben es gesagt: Es ist Zeit …“
„Ja hast Du nicht gehört, was er gesagt hat? «Es ist Zeit für unser Mittagsmagazin». Das war im Radio. Du hast beim Staubwischen den Wecker eingeschaltet und jetzt meldet er sich jeden Tag um 14 Uhr auf Deinem Lieblingssender mit diesen Worten.“