Pass doch auf, rück' doch noch ein Stückchen. Du drängst mich ab. Mach dich nicht so breit.

 

Warum? Was hast du denn?

 

Es ist wegen der Ausländer. Ich will denen nicht so nahe kommen. Die können ja nicht mal richtig Deutsch. 

 

Hm. Hab' dich mal nicht so.

 

Doch! Überall, egal wo du hinschaust. Guck dir doch mal die da drüben an. Siehst du die? Ein ganzer Haufen! Angeblich aus Afrika, oder wo die herkommen. Die sollen auch, psst, nicht so laut, Ungeziefer mitbringen.

 

Aber du musst doch nicht alles glauben, was so erzählt wird.

 

Doch! Ich glaub' das. Die kommen ja auch auf Wegen, von denen unsereins keine Ahnung hat. Ich weiß nicht, wie die das alles schaffen und sich dann hier bei uns breit machen. Das passt mir nicht. Alle kommen sie zu uns. Ungebremst, aus allen möglichen anderen Ländern. Sogar von anderen Erdteilen. Keiner scheint sie aufhalten zu wollen. Schau dich um: würde es nicht reichen, wenn wir alleine hier wären? So wie früher? Meinst du nicht auch?

 

Hm. Du übertreibst ein bisschen.

 

Nein. Ich übertreibe nicht! Denk' nur mal an die Österreicher. Angeblich haben die schon mit Begasung angefangen! Von Reizung der Atemwege und der Haut, von Schwindel und Übelkeit bei empfindlichen Menschen habe ich gehört - was danach kommt, magst du dir gar nicht ausdenken.

 

Komm, das sind doch Geschichten, die gehören überhaupt nicht hierher.

 

Doch, doch, doch ... das ist ganz, ganz wichtig. Das trägt angeblich zum Überleben bei!

 

Spinnst du?

 

Wenn ich es dir doch sage. Zumindest zu längerem Leben, so wird es versprochen. Ja direkt angepriesen!

 

Humbug.

 

Ich weiß, dass ich recht habe: Es riecht selbst hier schon komisch.

 

Quatsch. Was Du riechst, das ist Knoblauch.

 

Nein!? Knoblauch?

 

Ja, klar, guck doch: das sind bestimmt die da vorne. Zweifelsfrei Knoblauch!

 

Ich weiß nicht, was ich jetzt dazu sagen soll. 

 

Na dann sei doch einfach still.

 

Guck dir doch die da drüben an. Bestimmt sind die das mit den Krankheiten. Hast du noch nichts mitgekriegt? »Allium tuberosum« das habe ich mir extra gemerkt. Angeblich sind die aus Südamerika - sehen aber auch nicht anders aus. Nur der Geruch, der Geruch ist einfach grässlich penetrant.

 

Ja, Knoblauch halt. Aber lass uns lieber das Thema wechseln.

 

Früher haben wir uns nur gelegentlich über Holländer oder Italiener aufgeregt, aber heute, schau dich um, du siehst ja wo das alles hingeführt hat. Denke nur an Österreich.

 

Fängst du schon wieder damit an?

 

Und was ist mit dem dumpfen Geruch, der an tiefe Kellerverließe erinnert?

 

Als ob du weißt, wie ein Kellerverließ riecht.

 

Na, das stelle ich mir halt so vor.

 

Siehst du die da drüben, noch weiter links? Hast Du an denen auch etwas auszusetzen?

 

Wenn Du mich schon fragst: ich bin sicher, dass die ungewaschen aussehen.

 

Lass das! Schau nicht so genau hin! Glaubst du nicht, dass du dir zu viele Gedanken über das alles machst?

 

Du bist gut. Das sind schließlich unsere neuen Nachbarn, oder etwa nicht?

 

Es gibt bestimmt auch welche, die zu uns passen könnten.

 

Natürlich gibt es die, da bin ich ganz sicher. Aber wehe, du lässt dich auf sie ein. Dann wirst du womöglich mit ihnen in einen Topf geworfen. Du hast ja keine Ahnung was da alles passieren kann. Und was das schlimmste ist: du verlierst deine Identität.

 

Manche von den Ausländern sehen aus, als ob sie nur zu viel Sonne abgekriegt hätten. Früher wäre ich da neidisch geworden. 

 

Man kann nicht mal mit ihnen reden

 

Würdest du das denn wollen?

 

Was meinst du, welcher Gruppe die angehören? 

 

Minderheiten, was sonst.

 

Der Schein trügt! Wo die herkommen, gibt es noch viel mehr davon. Der Nachschub wird nicht abreißen, das ist sicher! Und die, die da drüben, welcher Gattung gehören die an? Es wird immer fremdländischer hier, ist dir das noch nicht aufgefallen? 

Früher war alles viel überschaubarer. Da wusste man noch, wo man dran ist. Vor allem gab es nur deutsche Namen!

 

Ist das so wichtig? Namen sind doch eh nur Schall und Rauch.

 

Früher waren es nur Italiener, Spanier, oder höchstens mal Portugiesen, die uns den Platz streitig gemacht haben, aber heute strömen die glatt von überall in unsere Heimat.

 

 

Sie wurden jäh aus ihrer vertraulichen Unterhaltung gerissen, als aus unterschiedlichen Richtungen nach ihnen gegriffen wurde. Bevor sie sich versahen, waren sie in zwei verschiedenen Einkaufswagen verschwunden, zwischen Bergen anderer Lebensmittel, in einer hauchdünnen Wiegetüte verpackt, ohne dass sie sich hätten wenigstens noch ein kurzes Lebewohl zurufen können. Am Obststand im Supermarkt kehrte wieder Ruhe und Frieden ein. Die letzten Äpfel aus dem Sonderangebot waren verkauft, das Schild „Lohrer Rambour - 1A Qualität“ wurde entfernt.

 

Rosemarie Knechtel

November 2015